Wie vermeide ich Infodump?

Beim Infodump werden alle wesentlichen Informationen, zum Beispiel eine Figur – ihre Mitstreiter, ihr Aussehen, ihre Kleidung, ihre Vergangenheit – kurz: alles, was im Laufe der Geschichte wichtig sein könnte, geballt an einer Stelle beschrieben.

Problem: Infodump ist langweilig. Es werden einfach Dinge behauptet, Fakten aneinandergereiht, die Leser und Leserin glauben müssen, ohne dass ihnen dazu ein Mehrwert geboten wird: Die Fakten stehen in keinem Zusammenhang, und die Gefahr ist groß, dass sich kaum jemand die Mühe macht, sich das alles zu merken. Die Folge ist: Leser und Leserin verlieren das Interesse an der Geschichte und legen das Buch beiseite.

Was ist Infodump?

Ein Beispiel.

Die Heldin eines Romans, nennen wir sie Marie, trifft sich am Anfang der Geschichte mit ihren Freundinnen in einem Café. Gleich danach, sagen wir, am Ende der ersten Seite, macht sie sich mit ihrem Auto auf den Heimweg, weil sie noch verabredet ist – mit einem Mann, den sie online kennengelernt, aber noch nie getroffen hat.

Mit Infodump liest sich das so:

„Marie setzte sich in ihren Wagen, einen knallgelben Fiat mit rotem Dach, und fuhr nach Hause. Sie musste sich noch umziehen. Dies war ihr erstes Date seit ungefähr drei Jahren. Damals hatte sie das Blumengeschäft eröffnet, nachdem ihr Chef unerwartet gestorben war und sie von heute auf morgen ohne Arbeit dastand. Seitdem war ihre Zeit durch das Geschäft definiert. Da war ja nicht nur die Arbeit im Laden, sondern auch noch die Buchführung, das Marketing, die Verhandlungen mit den Firmenkunden, die Deko für große Events bestellen wollten, und die mit den Privatkunden, die für Beerdigungen, Hochzeiten oder Jubiläen Tischschmuck und Sträuße oder Kränze haben wollten. Manchmal fragte sie sich, ob das ihr Leben lang so weitergehen sollte. Fünfunddreißig Jahre war sie jetzt alt, sah mit ihren blauen Augen und dem fast schwarzen, lockigen Haar, das sie meistens zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, aber jünger aus, und in Jeans und T-Shirt, ihrer Arbeitskleidung, machte sie eine gute Figur. Und sie war noch jung genug, um zu heiraten und Kinder zu bekommen, wie es als Mädchen ihr Traum gewesen war. Das Haus dafür hatte sie von ihrer Großmutter geerbt, aber seit ihr letzter Freund ausgezogen war, bewohnte sie die fünf Zimmer allein mit ihrer Katze Frieda. Ob Paul daran etwas ändern würde? Paul war drei Jahre älter als sie, geschieden und kinderlos, so viel wusste sie über ihn. Außerdem sah er sehr gut aus, hatte offenbar eine Vorliebe für Poloshirts und trieb gerne Sport, auch das konnte sie seinem Profil entnehmen. Und er war an ihr interessiert, das hatte er deutlich gesagt. (…)“

Und so weiter. Das ist natürlich ein konstruierter Text, aber er zeigt, was Infodump bedeutet und warum es vermieden werden sollte: Alle Informationen in einem Absatz unterzubringen überfordert die Leser und Leserinnen nicht nur, es liest sich auch einfach nicht schön. Und meistens ist es unnötig.

Wie sich das Ganze schon etwas interessanter gestalten lässt, obwohl es noch immer viel geballte Information auf kleiner Fläche ist, das soll die folgende Textvariante zeigen.

Hier ist der größte Teil der Informationen so in einen Kontext integriert, dass es jeweils eine kleine Szene dazu gibt.

„Marie machte sich auf den Weg zu ihrem Auto. Obwohl der Parkplatz voll besetzt war, konnte sie ihren Kleinwagen mühelos ausfindig machen – der gelbe Fiat mit dem roten Dach war kaum zu übersehen. Sie warf ihre Tasche auf den Rücksitz und startete den Motor – aber schon an der Ausfahrt war Schluss. Offenbar hatte es an der Ecke einen Unfall gegeben, und nichts ging mehr. Sie stellte den Motor ab und warf einen Blick auf die Uhr. Hoffentlich schaffte sie es noch rechtzeitig zum Date mit Paul!

Wie auf Kommando läutete ihr Telefon. „Ich wollte nur hören, ob du schon unterwegs bist“.

Er sah nicht nur gut aus auf seinen Profilbildern, er hatte auch eine angenehme Telefonstimme, so viel stand fest. Es fiel Marie nicht schwer, ein Lächeln in ihre Stimme zu legen. „Ich stehe im Stau, aber ich hoffe, das dauert nicht allzu lange. Ich melde mich, wenn’s später wird!“

„Alles klar, ich freu mich!“

Wie schön, dass er nachgefragt hat, ging es ihr durch den Kopf, als er das Gespräch beendet hatte. Es schien ihm wichtig zu sein. Fast hatte Marie ein schlechtes Gewissen. Sie war nicht sicher, ob sie sich wirklich auf ihn freute oder nur darauf, endlich wieder mit einem Mann eine Verabredung zu haben, der mit ihr nicht über Trauergestecke oder die Deko für Firmenjubiläen sprechen wollte. Seit sie das Blumengeschäft übernommen hatte, drehte sich ihr ganzes Leben nur noch um die Arbeit. Aber damit würde jetzt Schluss sein. „Paul, 38, geschieden, Event-Manager“ war ihr erster Versuch, wieder so etwas wie ein Privatleben aufzubauen, falls sie jemals – sie warf einen Blick auf die Uhr – hier wegkam. Zum Glück hatte sie am Morgen schon Kleid und Schuhe bereitgelegt, und – sie überprüfte ihr Gesicht im Rückspiegel – viel Make-Up war zum Glück nicht nötig. Gute Gene. Ihrer Großmutter verdankte sie nicht nur das Haus, in dem sie wohnte, und das für sie allein eigentlich viel zu groß war, von ihr hatte sie auch die blauen Augen und die schwarzen Locken geerbt. Etwas Concealer, und die dunklen Schatten unter ihren Augen wären ebenso verschwunden wie mindestens vier ihrer fünfunddreißig Lebensjahre.

Ein Hupen weckte sie aus ihren Gedanken. Um ein Haar hätte sie verpasst, dass jemand sie auf die Straße winkte. Der Stau löste sich auf, und Marie bedankte sich mit einem Winken, während sie sich eilig in den Verkehr einfädelte. …“

Und so weiter. Ja, auch dieser Text ist konstruiert. Die eleganteste Lösung wäre es, all diese Fakten wie Alter, Aussehen, Beruf, Lebenssituation und Ziele der Hauptfigur auf mehrere Stellen im Roman zu verteilen, aber selbst wenn sie so konzentriert auftreten, lässt sich noch etwas retten.

Das Geheimnis, wie Infodump vermieden werden kann, ist das häufig zitierte „Show, don’t tell.“ Während im ersten Beispiel alles nur aufgezählt, beschrieben oder behauptet wird, ist im zweiten Beispiel eine kleine Geschichte um die Fakten herum gewoben worden. Marie hat nicht einfach einen gelben Fiat mit rotem Dach, die Farbe wird erwähnt als Grund dafür, dass sie ihr Auto immer mühelos auf jedem vollen Parkplatz wiederfindet. Ebenso wird sie nicht einfach als Fünfunddreißigjährige mit schwarzem Haar und blauen Augen beschrieben, sondern ihr Aussehen ist ein Erbe ihrer Großmutter – ein guter Grund, an dieser Stelle auf das große Haus hinzuweisen, das sie ebenfalls der Großmutter verdankt und das sicher noch ein paarmal erwähnt werden wird.

Wenn du es also wichtig findest, an einer Stelle geballte Information zu vermitteln, dann spinne eine Geschichte drumherum. Zähle nicht einfach die Fakten auf, sondern erschaffe eine Situation, in der die entsprechende Information eine Bedeutung hat. Ab und zu kann die Heldin auch mit jemandem über das sprechen, was sie gerade beschäftigt. Mit der Freundin über das Date, mit dem Ladennachbarn über die mäßig laufenden Geschäfte. Deswegen gibt es ja so viele beste Freundinnen und gute Kollegen in Romanen: Gespräche sind eine gute Möglichkeit, den Lesern und Leserinnen Informationen zu vermitteln 😉 – nur nicht zu viel. Infodump gibt es auch in Gesprächen!

Mein Schreibtipp: Am besten die Informationen dahin verteilen, wo sie hinpassen. Für jede Information einen Kontext schaffen: die blauen Augen könnten erwähnt werden, wenn die Heldin für besondere Anlässe am liebsten ein ganz bestimmtes Oberteil trägt, weil das ihre Augen zum Leuchten bringt (ja, ist ein Klischee, aber so ist das nun mal),  die schwarzen Locken, wenn der Regen jeden Versuch einer Frisur zerstört (wer Locken hat, weiß, was ich meine), ihre Körpergröße wäre ein Thema, wenn sie sich irgendwo den Kopf stößt oder sich einen Hocker heranzieht, um ein hohes Regal zu erreichen. Show, don’t tell!

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